Bei Flugreisen läuft nicht immer alles planmäßig. Verspätung, Stornierung, Downgrades oder ein verschwundenes Gepäckstück sorgen nach der Pandemie zunehmend für Ärger. Airlines versuchen oft, das Problem auszusitzen und reagieren gar nicht oder unangemessen auf die Beschwerden von Passagieren. Mit der Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr – kurz SÖP – gibt es unkomplizierte Hilfe, die für Verbraucher sogar kostenlos ist. Wie ihr einen Schlichtungsantrag stellt und wie das Schlichtungsverfahren abläuft, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Schlichtungsstelle SÖP – was ist das eigentlich?
Die Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr (SÖP) ist eine von der Bundesregierung nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannte und von der Europäischen Union zertifizierte Einrichtung zur Streitbeilegung im Öffentlichen Transportsektor. Die Schlichtungsstelle ist kein Gericht und spricht daher auch keine Urteile aus. Anders als ein Gerichtsurteil ist die Schlichterempfehlung daher auch nicht bindend. Da die Teilnahme an der Schlichtung freiwillig ist, könnt ihr einen Schlichtungsantrag nur in Fällen stellen, in denen die Airline (oder allgemeiner das Verkehrsunternehmen) sich mit einer Schlichtung einverstanden erklärt.
Anders als man vielleicht vermuten würde, haben sich aber zahlreiche Unternehmen aus dem Personenverkehrssektor der Schlichtungsstelle angeschlossen und nehmen an deren Verfahren teil. Der Grund ist vermutlich einfacher betriebswirtschaftlicher Natur – ein Schlichtungsverfahren ist günstiger als ein Gerichtsverfahren. Außerdem schafft man in einem Schlichtungsverfahren keine Grundsatzurteile gegen sich, auf die sich andere Passagiere berufen könnten.
Die Schlichtungsquote, also die Zahl der Fälle, die durch die Schlichtung beigelegt werden können, beträgt stattliche 80%. Das Schlichtungsverfahren ist aufgrund gesetzlicher Vorgaben für den Verbraucher kostenlos. Anders als bei Portalen wie Flightrights wird euch also nicht eine Pauschale für die Bearbeitung eures Falls abgezogen. Damit ist der Weg vor die Schlichtungsstelle eigentlich in jedem Fall, in dem die Airline teilnimmt, einem Gerichtsverfahren vorzuziehen. Beauftragt ihr einen Anwalt, erhaltet ihr schließlich eure Kosten nur im Erfolgsfalle erstattet – und das auch nur innerhalb bestimmter Grenzen.
Schlichtungsstelle SÖP – wer nimmt teil?
Wie gesagt, das Schlichtungsverfahren ist freiwillig. Daher ist ein Blick auf die Airlines, die an dem Verfahren teilnehmen, natürlich der erste Schritt. Es sind erstaunlich viele Fluggesellschaften, die hier gelistet sind, was die öffentliche Wahrnehmung vo Airlines, die sich um die Erstattung rechtmäßiger Ansprüche drücken wollen, zunächst konterkariert.
Neben vielen Unternehmen aus anderen Personenverkehrs- Branchen wie Bahnunternehmen nehmen die folgenden Airlines an der Schlichtung durch die SÖP teil (Auswahl). Die vollständige Liste der teilnehmenden Verkehrsunternehmen findet ihr hier:
- Alle Airlines der Lufthansa Gruppe wie Lufthansa, Austrian Airlines, SWISS, Air Dolomiti, Eurowings Discover, Brussels
- Air France, KLM
- Condor
- Delta Airlines
- Easyjet
- Emirates
- Qatar Airways
- Ryanair DAC
- SAS Skandinavian Airlines
- Singapore Airlines
- Sun Express
- TAP Portugal
- Tuifly
- United Airlines
- Wizzair
Neben den Airlines, die sich zur Teilnahme bereit erklärt haben, sind natürlich auch die interessant, die nicht teilnehmen. Von den europäischen Airlines sind dies vor allem alle IAG Airlines wie British Airways, Iberia, Aer Lingus oder Vueling, aber auch Finnair, LOT oder Etihad nehmen nicht teil.
Wie läuft eine Schlichtung ab?
Ein Schlichtungsverfahren mit einer Airline beginnt mit eurem Schlichtungsantrag, den ihr relativ formlos auf der Seite der SÖP stellen könnt. Der Antrag setzt allerdings voraus, dass ihr euch zunächst mit einer Beschwerde an die betreffende Airline gewendet habt. Habt ihr also Ansprüche gegen z.B. Lufthansa wegen eines verloren gegangenen Gepäckstücks, müsst ihr diesen Anspruch zunächst bei Lufthansa (nicht bei Dienstleistern, die solche Fälle für Lufthansa bearbeiten) geltend machen.
Obwohl Schrift- oder Textform nicht vorgeschrieben sind, solltet ihr solche Ansprüche immer mindestens per Mail oder per Kontaktformular bei der Airline einreichen. Spart euch Zeit und Nerven und plagt euch nicht mit telefonischen Hotlines herum.
Die betreffende Airline hat – was ich persönlich etwas unbefriedigend finde – zwei Monate Zeit für die Bearbeitung eurer Anfrage. Erhaltet ihr innerhalb von zwei Monaten keine oder nur eine unbefriedigende Antwort, könnt ihr den Schlichtungsantrag bei der Schlichtungsstelle SÖP stellen. Das bedeutet konkret, dass ihr den Antrag schon nach einer Woche stellen könnt, wenn ihr nach einer Woche ein unbefriedigendes Angebot oder gar die Ablehnung eurer Ansprüche erhalten habt. Geht die Airline dagegen auf Tauchstation, müsst ihr im Zweifel zwei Monate warten.
Ihr könnt auch einen Schlichtungsantrag gegen eine Airline stellen, die sich nicht dem Verfahren angeschlossen hat. Auch dann konfrontiert die Schlichtungsstelle SÖP die Airline mit euren Ansprüchen. Hier kann das Verfahren aber schnell zuende gehen, wenn die Airline die Teilnahme verweigert.
Schlichtungsantrag stellen
Den Schlichtungsantrag reicht ihr mit sämtlichen erforderlichen Dokumenten online ein (Direktlink). Auf der ersten Seite des Antrags wählt ihr aus dem Dropdown Menu zunächst die betreffende Airline aus. Ist eure Airline nicht aufgeführt, könnt ihr Sonstige ankreuzen. Bedenkt aber, dass sonstige Airlines nicht verpflichtet sind, an der Schlichtung teilzunehmen.
Als nächstes wird abgefragt, ob und wann ihr die Airline bereits wegen eurer Ansprüche kontaktiert habt und welche Antwort ihr ggf. erhalten habt. Außerdem müsst ihr bestätigen, dass euer Schlichtungsantrag nicht bereits Inhalt eines Gerichtsverfahrens ist oder womöglich bereits von einem Gericht entschieden wurde. Ist ein Fall bereits von einem Gericht gegen euch entschieden worden, ist eine Schlichtung nicht mehr möglich. Es ist daher sinnvoll, immer zunächst eine Schlichtung durchzuführen.
Auf der nächsten Seite werden Beschwerdegrund und die Details eurer Reise abgefragt. Hier wählt ihr zunächst aus einem Dropdown Menu den Beschwerdegrund aus und gebt dann die Reisedetails (einzelne Segmente, Buchungskanal) an.
Im nächsten Schritt geht es in die Details. Welche Kosten sind euch aufgrund der Unregelmäßigkeit entstanden bzw. welchen Ersatz wollt ihr geltend machen. Das Formular ist hier natürlich abhängig von dem Schadensgrund, den ihr angegeben habt. Im Fall Gepäckverspätung sieht das z.B. so aus.
In weiteren Verlauf ladet ihr dann alle erforderlichen Dokumente, insbesondere Buchungsunterlagen und den Schriftverkehr mit der Airline hoch und sendet den Antrag ab. In eurem eigenen Interesse ladet ihr gleich wirklich ALLE Dokumente zu dem Fall hoch. Ansonsten werdet ihr zur Nachreichung von Unterlagen aufgefordert, was Zeit in Anspruch nimmt.
Schlichtungsantrag SÖP – wie geht es weiter?
Bei der SÖP sitzen Volljuristen mit der Befähigung zum Richteramt, die eure Fälle prüfen und bewerten. Im ersten Schritt wird die Schlichtungsstelle das Flugunternehmen mit dem Sachverhalt konfrontieren. In vielen Fällen wird hier von der Airline der Anspruch bereits anerkannt. Ihr könnt davon ausgehen, dass Post aus der Schlichtungsstelle direkt in der Rechtsabteilung der Airline landet statt im Customer Service, wo möglicherweise überlastete und schlecht geschulte Mitarbeiter einfach nur versuchen, den Kopf über Wasser zu halten.
In einer Rechtsabteilung sitzen dagegen Juristen, die auf den ersten Blick erkennen, ob ein Anspruch begründet ist oder nicht. Airlines verschwenden nicht unnötig Ressourcen, um sich gegen berechtigte Ansprüche zu wehren. Das gilt jedenfalls außerhalb von weltweiten Pandemien. Die Airline wird sich also gegenüber der Schlichtungsstelle zu eurem Antrag äußern. Erkennt die Airline Ansprüche direkt und vollständig an, kommt ihr recht schnell an euer Geld. Hat die Airline (teilweise) Einwände, wird der Schlichter den Sachverhalt unabhängig auf Basis der rechtlichen Grundlagen prüfen und einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. Diesem müssen dann beide Parteien zustimmen, damit die Sache erledigt ist.
Bis zu diesem Punkt läuft ein Schlichtungsverfahren genauso ab wie ein Gerichtsverfahren. Auch vor Gericht wird zunächst schließlich immer nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht. Während ein Gerichtsverfahren bei Scheitern der Vergleichsverhandlungen aber mit einem Urteil endet, gibt es das bei der Schlichtung nicht. Kommt die Schlichtung also zu keinem Ergebnis, das beide Seiten befriedigt, hat euch die Schlichtung Zeit (aber immerhin kein Geld!) gekostet. Euch steht nun der Weg vor Gericht immer noch offen.
Wie gesagt: 80% der Schlichtungsanträge enden mit einem einvernehmlichen Schlichtungsvertrag, der für beide Seiten dann auch rechtlich bindend ist. Wenn ihr in einem Schlichtungsverfahren mit z.B. 80% der geltend gemachten Summe zufrieden gebt, könnt ihr danach nicht noch vor Gericht gehen, um die 20% einzuklagen. Andererseits kann es sich auch die Airline dann nicht mehr “anders überlegen”. Ansprüche aus einer Schlichtung können im Rahmen der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden.
Schlichtungsstelle SÖP – Häufige Fragen
Fazit
Die Schlichtungsstelle SÖP leistet wertvolle Arbeit im Sinne des Verbraucherschutzes, weil sie die Hemmschwelle bei der Durchsetzung von Passagierrechten absenkt. Durch das für Verbraucher kostenlose Verfahren habt ihr kein Kostenrisiko und immerhin eine 80%ige Chance, auch ohne Anwalt zu eurem Recht zu kommen.
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